Ziegenkeule in Artischocken-Senf-Sauce
auf dem heimischen Balkon mit Lorbeerkartoffeln
Ziegenkeule in Artischocken-Senf-Sauce
am Kochabend mit Mangoldgemüse.
Die Lorbeer-Kartoffeln waren aufgegessen,
bevor das Foto gemacht wurde.Es ist in den letzten Jahren eine kleine Tradition geworden, dass ich zu Ostern gerne Ziegenfleisch zubereite. Dieses Jahr ist es allerdings nicht dazu gekommen, und so war ich von meiner Idee, für das Menü aus regionalen Produkten, das wir mit den Freunden von Slow Food für unser gemeinsames Frühjahrskochen in der Küche der Katholischen Bildungsstätte in Bochum geplant hatten
(klick hier), einen Ziegenbraten zu machen, ganz begeistert. Meine bewährte Bezugsquelle für dieses nicht ganz alltägliche Fleisch ist der Hof Heidbauer in Castrop-Rauxel (
klick hier), doch Ziegenbäuerin Alut war ausverkauft und konnte mir auch nicht sagen, ob noch rechtzeitig ein Schlachttermin stattfinden würde. Also sah ich mich anderswo um und musste feststellen, dass von den Ziegenhöfen im Ruhrgebiet, die ich in meinem Post „Zicklein zu Ostern“ (
klick hier) empfehle, zwei gar nicht mehr existieren. Darunter fällt sogar der bekannte Ziegenhof Sondermann in Haltern, der mit seinen Käseprodukten in vielen Supermärkten des Ruhrgebiets vertreten war und von dem wir das Zicklein des großen Slow-Food-Ziegenmenüs im Jahr 2017 (
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Fündig wurde ich dann auf Hof Hohenstein in Witten (
klick hier). Hier hält Maximilian Nelle mehrere Herden von Schafen und Ziegen, die zur Landschaftspflege eingesetzt werden. Die Tiere werden von Landwirten, Kommunen oder anderen Institutionen engagiert, um brach liegende Flächen vor der Verbuschung zu schützen oder die Renaturierung voran zu treiben. Der Fleischvermarktung ist für Maximilian allerdings nur ein Nebengeschäft. Hof Hohenstein hat keinen Hofladen. Man muss dort anrufen und einen Termin ausmachen, wann man die Ware abholen kann.
Noch guter Laune: Der Genießer mit seinem Schatz
Foto: Wiebke Rieck
Anders als auf Hof Heidbauer, auf dem hauptsächlich die Ziegenmilch zu Käsespezialitäten verarbeitet wird und die überschüssigen Böcke recht jung geschlachtet werden, sind die Tiere, deren Fleisch auf Hof Hohenstein zum Verkauf kommt, viel größer. Sie gehören den Rassen Burenziege und Thüringer Wald Ziege an, die sich wegen ihrer Robustheit bestens zur Landschaftspflege eignen und die sich auf Hof Hohenstein vermischt haben. Die Thüringer Wald Ziege ist auch ein Passagier der "Arche des Geschmacks" der Slow Food Stiftung für Biodiversität (
klick hier). Die Ziegenkeule, die ich vor zwei Jahren auf Hof Heidbauer bekommen hatte, wog mitsamt Haxe gerade einmal zarte 800 Gramm, während der tiefgekühlte Batzen, den ich jetzt auf Hof Hohenstein bekam, ohne Haxe 2300 Gramm wog. Aber da ich mit einer genügend großen Schar an Essern rechnete, wollte ich mich der Herausforderung, so ein großes Stück Fleisch zuzubereiten, stellen, obwohl ich damit gar keine Erfahrung hatte (und das, obwohl ich seit 16 Jahren einen Kochblog betreibe).
Die marinierte ZiegenkeuleIch ließ die Keule über Nacht im Kühlschrank auftauen und war dann von dem wunderbaren Stück Fleisch hellauf begeistert. Es roch buchstäblich nach nichts und wies das Vorurteil, Ziegenfleisch rieche streng, ins Reich der Legende. Ich rieb es nach dem Rezept des Hobble-Frank aus dem Karl-May-Buch „Der Schatz im Silbersee“ (
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klick hier) Lorbeer-Kartoffeln und eine Senf-Sauce mit Artischocken und grünen Oliven geben, denn Ziegen fressen ja gerne Disteln und Artschocken sind ja deren edlen Schwestern.
Im Rohr
Die ruhende KeuleIch dachte, ich hätte mir für den Kochabend trotz der großen Menge Fleisch ein nicht besonders arbeitsintensives Gericht ausgedacht. Die Fleischvorbereitung hatte ich ja schon zu Hause erledigt. In unserer Küche bräuchte ich ja nur den Braten in den Ofen zu schieben und bis zu einer Kerntemperatur von 72 Grad ca. eineinhalb Stunden schmurgeln und danach eine halbe Stunde ruhen zu lassen. Da hätte ich dann ja genügend Zeit, die Sauce und die Kartoffeln zuzubereiten.
Die Lorbeer-Kartoffeln werden vorbereitetDie Teller werden angerichtet
Fotos: Wiebke Rieck
Doch meine Multitasking-Fähigkeiten wurden auf eine harte Probe gestellt. Ich weiß nicht, wie ich es früher in meinen Kochkursen an der VHS Herne fertig gebracht hatte, Vorbereitung, Organisation, Betreuung der Teilnehmer und auch die fotografische Dokumentation des Ganzen unter einen Hut zu kriegen. Ob es mit der körperlichen und mentalen Gebrechlichkeit, die das Rentenalter mit sich bringt, zu tun hat, ich weiß es nicht - jedenfalls wurde ich im Laufe der Zeit immer bockiger, der fremde Herd nervte mich, die soziale Interaktion mit meinen lieben Mitkochenden wollte mir kaum gelingen, obwohl ich doch recht liebevoll und kompetent unterstützt wurde. Ich wurde missmutig und ungeduldig. Das fertig gebratene Fleisch wollte mir gar nicht gefallen, ich fand es zäh, jedenfalls an einigen Stellen, die Senfsauce kam mir nur salzig vor und die Lorbeer-Kartoffeln gar nicht aromatisch. Was ein Glück, dass die Gänge, die die anderen zubereitet hatten, alle so vorzüglich gelungen waren und meine Mitstreiter in beste Laune versetzten – meinen erratisch vorgebrachten Selbstzweifeln wollte vorsichtshalber keiner widersprechen. Dass sie anstandslos auch mein Gericht aufaßen und eine unserer Gastkochenden die übrig gebliebene Sauce unbedingt mit nach Hause nehmen wollte, ging mir in meiner üblen Laune ziemlich vorbei. Vom Fleisch blieb allerdings einiges übrig. Wohl oder übel nahm ich es mit nach Hause, und natürlich auch einen Teil der Sauce.
Zuhause nachgebautAm nächsten Tag sah es dann ganz anders aus. Ich baute noch einmal aus den Resten einen Teller des Gerichtes auf meinem vertrauten Balkon nach und stellte fest, wie fantastisch das Fleisch war, zwar fest, aber wunderbar mürbe und zart, fast wie Marzipan. Beim Aufwärmen verlor es lediglich die schöne rosa Farbe, und auch kalt aufgeschnitten war es ein wahrer Genuss und schlug meiner Meinung nach kaltes Lammfleisch um Längen. Den Saucenrest musste ich etwas verlängern und deshalb in Ruhe neu abschmecken – die Artischocken-Senf-Kombi überzeugte mich einmal mehr durch ihre Eleganz. Ein paar Lorbeer-Kartoffeln machte ich mir neu, denn es waren keine übrig geblieben. Als sie im Ofen buken, begann es wunderbar zu duften, und der würzige Geschmack des Lorbeers ging wie selbstverständlich in sie über. Wieso war ich eigentlich am Abend vorher nicht entspannter geblieben?
Rezept: Ziegenkeule mit Knoblauch und Majoran mit Artischocken-Senf-Sauce und Lorbeer-Kartoffeln Ziegenkeule vorbereiten: 1 Keule von der Ziege
Rapsöl
Knoblauch
Majoran, frisch oder getrocknet
Pfeffer, Salz
Majoranblättchen von den Zweigen streifen und in Rapsöl geben. Geschälten Knoblauch hineinpressen oder reiben. Salz und Pfeffer hinzugeben und alles gut zu einer Marinade verrühren.
Ziegenkeule parieren. An verschiedenen Stellen einstechen und einige ganze Knoblauchzehen in die Schnitte stecken. Mit der Marinade einreiben. Keule in eine Plastiktüte geben, Rest Marinade dazu gießen und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
Keulenstücke vor dem Braten aus der Tüte nehmen und sorgfältig die Majoranblättchen ablesen. Sie würden beim Braten verbrennen.
Saucenansatz vorbereiten: Parüren der Ziegenkeule
2 El scharfer Senf
Salz, Pfeffer
1 El Olivenöl
0,1 l trockener Weißwein
400 ml Gemüsebrühe
400 ml Lammfond
3 Zwiebeln, fein gewürfelt
1 Möhre, fein gewürfelt
1 Stück Sellerie, fein gewürfelt
2 EL Mehl
Majoran und andere Kräuter
1 Lorbeerblatt
In einer großen Pfanne die Parüren anbraten bis braun sind. Aus der Pfanne nehmen und entsorgen.
Den Bratensatz mit etwas Wein ablöschen. Gewürfelten Zwiebeln, Möhre und Sellerie zufügen und goldbraun garen. Pfanne vom Herd nehmen. Die Zwiebeln mit Mehl bestäuben und gründlich umrühren. Wein, Brühe, Kräuter und Lorbeerblatt zufügen. Die Pfanne wieder auf den Herd stellen und heiß werden lassen.
Ziegenkeule braten: Den Ofen auf 180 Grad vorheizen. Saucenansatz in eine Bratreine gießen und auf der untersten Schiene in den Ofen schieben.
Ziegenkeule auf ein Gitter setzen und darüber in den Ofen schieben.
Bratenthermometer anbringen.
Backofen schließen
Keule ca. eineinhalb Stunden braten, bis die Kerntemperatur 70 Grad beträgt.
Wenn das Fleisch fertig ist, aus dem Ofen nehmen und zugedeckt eine halbe Stunde ruhen lassen.
Sauce fertigstellen: Artischocken aus dem Glas
Oliven aus dem Glas
Senf
Pfeffer, Salz
Saucenansatz aus der Bratreine in einen Topf oder eine Pfanne gießen. Etwas einkochen lassen und etwas pürieren. Artischocken und Oliven dazu geben und mitziehen lassen. Mit Senf, Salz und Pfeffer abschmecken.
Lorbeer-Kartoffeln: pro Portion 3-4 kleine Kartoffeln (Drillinge)
pro Kartoffel 1 frisches Lorbeerblätter
Salz
Öl
Kartoffeln gründlich reinigen, schlechte Stellen an der Schale abschneiden. In kräftig gesalzenem Wasser aufsetzen und acht Minuten blanchieren. Abschütten und abschrecken. Kartoffeln tief einschneiden und ein Lorbeerblatt in den Schlitz stecken.
Etwas Öl in eine Auflaufform geben und verteilen. Kartoffeln hineintun, mit Öl bestreichen und mit Salz bestreuen. Bei 230 Grad zwanzig Minuten oder mehr backen, bis sie weich sind und die Schale schon braun und leicht verschrumpelt ist.
Man kann auch rohe unblanchierte Kartoffeln nehmen. Dann beträgt die Backzeit aber mehr als eine Stunde.